Immer mehr Gerichtsverfahren wegen Internet-Bewertungen
Die Zahl der Gerichtsverfahren, in denen über die Zulässigkeit von Internet-Bewertungen gestritten wird, nimmt zu. Die Chancen, als Betroffener Recht zu bekommen, sind dabei oft gut – drei aktuelle Entscheidungen.
Ist der Verfasser der Bewertung bekannt, kann er direkt in Anspruch genommen werden. Dabei kann sogar ein konkreter Verdacht, wer hinter der Bewertung steckt, ausreichend sein – wie ein Fall zeigt, den das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden hat: Einem Zahnarzt waren schlechte Bewertungen über sich aufgefallen, wohingegen einer seiner Kollegen fast nur sehr positive Bewertungen hatte. Mittels eines Sprachgutachtens gelang es dem Zahnarzt, das Gericht davon zu überzeugen, dass ihn sein Kollege mit erfundenen negativen Rezensionen schlecht und sich besser bewertet hatte (OLG Stuttgart, Urt. v. 13.02.2019 – 4 U 239/18).
Meist sind die Verfasser von Bewertungen allerdings unbekannt. Was kann man dann tun?
In diesem Fall sind die Bewertungsportale Ansprechpartner von Betroffenen, denn unter bestimmten Umständen haften die Portalbetreiber. Sie sind dem Bundesgerichtshof (BGH) zufolge verantwortlich, sobald sie konkrete Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangen (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15). Den Betreiber eines Bewertungsportals treffen also Mitwirkungspflichten, sobald das sogenannte Notice-and-Takedown-Verfahren eingeleitet wurde (siehe unseren Beitrag vom 19. Oktober 2018).
In Gerichtsverfahren geht es dann meist um die Frage, ob der Verfasser tatsächlich die von ihm kritisierte Dienstleistung in Anspruch genommen hat. Der Portalbetreiber muss dazu vom Verfasser der Bewertung Informationen abfragen. Im nächsten Schritt müssen diese Informationen in anonymisierter Form an das betroffene Unternehmen weitergegeben,werden, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Angaben zu überprüfen und gegebenenfalls zu widerlegen.
Der Betreiber eines Ärztebewertungsportals ist im Rahmen dieser Nachforschungen nach einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Göttingen sogar gehalten, von dem Patienten, der die anonyme Bewertung abgegeben hat, die Vorlage einer Auskunft gem. § 305 SGB V zu verlangen (vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 28.11.2018 – 9 O 2616/17). § 305 SGB V gibt Versicherten einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber ihrer Krankenkasse.
Es gibt auch immer wieder Fälle, in denen Dienstleister über spezielle Agenturen falsche positive Bewertungen kaufen, um ihre Attraktivität zu steigern. Auch der Verkauf negativer Bewertungen über Wettbewerber ist im Angebot dieser Agenturen.
Auch wenn positive Bewertungen über den eigenen Betrieb zu Unrecht von Portalbetreibern gelöscht werden, kann ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung dieser Bewertungen bestehen. Dem LG München zufolge kann das Löschen positiver Bewertungen nämlich ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sein (vgl. LG München I, Urt. v.16.04.2019 – 33 O 6880/18). In diesem Fall muss derjenige, der die Wiederveröffentlichung der Bewertung begehrt, deren Validität konkret darlegen. Anschließend ist wie beim „Notice-and-Takedown-Verfahren“ der Portalbetreiber am Zug.
Tipp 1
Das „Notice-and-Takedown-Verfahren“ ermöglicht es Kritisierten, mit überschaubarem Aufwand Bewertungen zu überprüfen, wenn die Verfasser von Bewertungen unbekannt sind.
Tipp 2
Gibt es konkrete Anhaltspunkte, dass eine bestimmte Person eine Bewertung verfasst hat, kann diese Person direkt in Anspruch genommen werden.
Auch gegenüber Agenturen, die sich auf das Verkaufen positiver oder negativer Bewertungen spezialisiert haben, kann man vorgehen.
Tipp 3
Werden positive Bewertungen zu Unrecht vom Plattformbetreiber gelöscht, kann ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung dieser Bewertungen bestehen.