Dr. Oliver Stegmann
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EIN Hinweis genügt
Ein Hostprovider ist verpflichtet, nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Beitrag auch nachfolgende sinngleiche Beiträge eigenständig zu prüfen und zu entfernen – entscheidet das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) am 04.03.2025 (Az. 16 W 10/25). Der Beschluss knüpft an die Rechtsprechung zum sogenannten Künast-Meme an und berücksichtigt den inzwischen in Kraft getretenen Digital Services Act (DSA).
Der Fall: Deep-Fake-Werbung in den sozialen Medien
Ein Arzt, der Antragsteller, ging gegen zwei Deep-Fake-Videos auf Facebook vor. In beiden Videos wurde unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und seiner Stimme der Eindruck erweckt, er bewerbe Mittel zur Gewichtsreduktion. Die Antragsgegnerin, Meta, entfernte bei Facebook zwar das erste Video nach anwaltlicher Abmahnung, das zweite – nahezu identische – Video jedoch erst nach einem weiteren Hinweis des Antragstellers. Im Verfahren begehrte der Arzt u.a. die Unterlassung der Verbreitung des zweiten Videos.
Verantwortlichkeit der Hostprovider für Inhalte Dritter
Hostprovider wie Facebook stellen nur die technische Infrastruktur bereit, über die Nutzer Inhalte veröffentlichen können. Die Provider haften deshalb für rechtswidrige Beiträge, die ihre Nutzer verbreiten, nicht unmittelbar. Provider sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern eingestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen zu prüfen.
Eine rechtliche Verantwortung der Provider entsteht allerdings dann, wenn sie Kenntnis von einer konkreten Rechtsverletzung erlangen. Weist ein Betroffener einen Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Provider verpflichtet, den beanstandeten Beitrag zu prüfen und bei festgestellter Rechtswidrigkeit zu entfernen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann er selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Rechtsprechung zum „Künast-Meme“
Der Beschluss des OLG knüpft an den Fall um das sogenannte Künast-Meme an. In dieser Auseinandersetzung hatte ein Nutzer ein Foto der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Renate Künast mit einem ihr fälschlich zugeschriebenen Zitat veröffentlicht („Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen!“).
Das OLG Frankfurt entschied damals, dass nicht nur das konkret beanstandete „Meme“ zu entfernen sei, sondern auch sinngleiche Inhalte, die den gleichen Aussagegehalt transportieren. Denn bereits der erste Hinweis auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung löse weitergehende Prüfpflichten aus: Dem Gericht zufolge müssen Hostprovider solche Inhalte auch ohne weiteren Hinweis eigenständig erkennen und löschen.
Übertragung der Künast-Rechtsprechung auf den aktuellen Fall
Diese Grundsätze hat das OLG nun auf die Deep-Fake-Videos übertragen. Aufgrund des ersten Hinweises sei bereits die Pflicht der Plattform entstanden, sinngleiche Inhalte zu erkennen und zu entfernen. Diese Pflicht habe Meta verletzt, weil es das zweite Video erst nach einem weiteren Hinweis des Antragstellers entfernte.
Wann ist ein Inhalt „sinngleich“?
Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt gilt nur für „sinngleiche“ Inhalte. Das sind dem Gericht zufolge solche, die trotz formaler Abweichungen im Kern dieselbe rechtsverletzende Aussage vermitteln. Sinngleich sind etwa mit dem gerügten Beitrag identische Beiträge, die lediglich anders gestaltet sind. Das gilt etwa für veränderte Bildzuschnitte, eine andere Auflösung oder den Einsatz von Farbfiltern. Auch eine lediglich abweichende Typografie wie andere Satzzeichen oder veränderte Groß-/Kleinschreibung ist unbeachtlich, selbst wenn Wortlaut oder Bildauswahl leicht variieren. Entscheidend ist, dass der verletzende Eindruck erhalten bleibt. Nicht ausreichend ist hingegen eine bloße Ähnlichkeit. Sinngleichheit erfordert, dass der durchschnittliche Nutzer durch den neue Inhalt denselben rechtsverletzenden Eindruck gewinnt wie beim ursprünglichen Beitrag.
Im konkreten Fall genügte es dem OLG zufolge, dass das zweite Deep-Fake-Video bildlich und sprachlich nahezu identisch mit dem ersten war – trotz abweichender Überschrift.
Bedeutung der Entscheidung für den Persönlichkeitsschutz
Mit dem Beschluss führt das OLG Frankfurt seine Rechtsprechung zu den Prüfpflichten von Hostprovidern konsequent fort. Damit tragen Hostprovider eine gesteigerte Verantwortung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
Für Betroffene bedeutet dies eine spürbare Verbesserung: Sie sind nicht länger gezwungen, bei jeder wiederholten Verbreitung eines rechtswidrigen sinngleichen Inhalts erst erneut mit detaillierten Hinweisen an die Plattform heranzutreten und so wertvolle Zeit zu verlieren. Vielmehr müssen Hostprovider selbständig sicherstellen, sinngleiche Inhalte zu erkennen und zu entfernen. Das stärkt nicht nur den Schutz von Persönlichkeitsrechten im Einzelfall, sondern ermöglicht es, strukturell gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorzugehen.
Eine endgültige Klärung auf höchstrichterlicher Ebene steht allerdings noch aus: Das Verfahren zum „Künast-Meme“ liegt derzeit beim Bundesgerichtshof (BGH), wurde dort jedoch ausgesetzt. Der BGH will zunächst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu unionsrechtlichen Vorgaben abwarten. Es bleibt also spannend, wie weit die Verantwortung von Hostprovidern künftig reichen wird.
Mitarbeit: Annika Vollrath
Tipp 1
Hostprovider bzw. Plattformen haften erst nach einem konkreten Hinweis für rechtsverletzende Inhalte im User Generated Content.
Tipp 2
Der Hinweis muss die Rechtsverletzung konkret und präzise benennen.
Tipp 3
Wird nach einem Hinweis erneut sinngleicher rechtsverletzender Content auf Plattformen eingestellt, haften Hostprovider dem OLG Frankfurt zufolge direkt auf Unterlassung. Ein neuer Hinweis ist nicht erforderlich!