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Plattformbetreiber haften für kerngleiche Verstöße – auch ohne vorherigen Hinweis
Facebook muss gering veränderte Varianten eines Falschzitats selbständig löschen – entscheidet das Landgericht (LG) Frankfurt am 8. April 2022 (Az. 2-03 O 188/21).
Falschzitate stellen die Glaubwürdigkeit von Personen und Unternehmen erheblich in Frage. Ist man erfolgreich gegen ein Falschzitat vorgegangen, scheint der Schaden zunächst abgewendet. Doch was können Betroffene zu ihrem Schutz tun, wenn inhaltsgleiche Falschzitate immer wieder auftauchen? Mit dieser Frage hat sich das LG Frankfurt beschäftigt (zur Pressemitteilung).
Sachverhalt der Entscheidung
In dem Fall ging es um Falschzitate, die über Renate Künast verbreitet wurden. Ein User hatte bei Facebook ein Meme gepostet. Auf dem Bild wurde der Politikerin der Satz in den Mund gelegt: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“. Diese Äußerung hatte Renate Künast aber nie getätigt. Sie verlangte daher von Facebook die Löschung des Eintrages.
Immer wieder neue Memes
Danach tauchten bei Facebook immer wieder neue Memes mit dem Falschzitat auf; lediglich Layout oder die Länge des Renate Künast in den Mund gelegten Satzes wurden variiert. Diese Inhalte waren dann unter einer anderen URL als das ursprüngliche Meme zu finden. Künast verlangte von Facebook, diese kerngleichen Verstöße ebenfalls zu löschen – und zwar ohne die Plattform bei jedem neuen Meme darauf erneut aufmerksam machen zu müssen. Facebook weigerte sich.
Immer wieder neue Hinweise erforderlich?
Das LG Frankfurt sah durch die leicht veränderten Memes das Persönlichkeitsrecht von Künast verletzt. Das Gericht bejahte zusätzlich die Pflicht von Facebook, diese kerngleichen Verstöße selbständig und ohne entsprechenden vorherigen Hinweis durch Künast löschen zu müssen; die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Auch Unternehmen geschützt
Auch Unternehmen sind durch das sogenannte Unternehmenspersönlichkeitsrecht vor Falschzitaten geschützt. Daher ist die Entscheidung des LG auch für sie von wegweisender Bedeutung. Sind Unternehmen einmal erfolgreich wegen rechtswidriger Inhalte gegen Plattformbetreiber wie Facebook oder Amazon vorgegangen, haften die Plattformbetreiber danach automatisch für kerngleiche Verstöße. In diesem Fall muss also nicht erst das „Notice-and-Takedown-Verfahren“ (dazu siehe hier) eingeleitet, sondern die Plattformen können unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Das bedeutet für Betroffene eine erhebliche Beschleunigung und Vereinfachung.
Haftung ohne vorherigen Hinweis
Plattformbetreiber können sich nicht hinter der angeblichen puren Masse an Beiträgen ihrer User verstecken und so ihrer Haftung entgehen. Vielmehr müssen die Betreiber nachweisen, dass ihnen die Überprüfung auf weitere Rechtsverstöße wirtschaftlich oder technisch nicht möglich ist. Das war Facebook in dem Verfahren vor dem LG Frankfurt nicht gelungen.
Mitarbeit: Linda Koßmann
Tipp 1
Zum Schutz ihrer Reputation sollten Unternehmen sich sofort gegen Falschzitate oder andere rechtswidrige Inhalte, wie etwa falsche Bewertungen, auf Plattformen wehren.