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Dr. Oliver Stegmann

Auch Amazon muss Rezensenten identifizierbar machen

18. Juni 2024

Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Hamburg bestätigt Entscheidung vom Februar 2024, dass Betreiber von Plattformen die Identität des Rezensenten offenlegen müssen – Beschluss vom 28.05.2024 (Az. 7 W 54/24)

Im Februar 2024 sorgte eine Entscheidung des OLG Hamburg für Furore. Sie besagt, dass die Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu die Verfasser von Bewertungen für das rezensierte Unternehmen so identifizierbar machen muss, dass das bewertete Unternehmen selbst überprüfen kann, ob überhaupt ein geschäftlicher Kontakt zum Rezensenten besteht (Az. 7 W 11/24). FAKE*away hatte über die Entscheidung hier berichtet.

Schon im Februar waren wir der Auffassung, dass die Entscheidung des OLG nicht nur für Arbeitgeber-Bewertungsplattformen, sondern für alle Bewertungsplattformen gilt. Genau das hat das OLG in seinem Beschluss vom 28.05.2024 jetzt bestätigt.

Der Sachverhalt

Ein Amazon-Händler monierte eine sehr negative Bewertung seines Produkts auf der Webseite von Amazon. Die Verfasserin der Rezension hatte lediglich einen von fünf möglichen Sternen vergeben und behauptet, das Produkt bringe gar nichts. Außerdem stellte sie den Verdacht in den Raum, dass die vielen guten Bewertungen des Produkts nicht echt sein könnten.

Mit der Unterstützung von FAKE*away beanstandete der Amazon-Händler die Bewertung und bestritt, dass dieser eine tatsächliche Nutzung des Produkts zugrunde liege. Amazon kontaktiere daraufhin die Rezensentin per E-Mail und bat sie um eine Stellungnahme. Die angebliche Rezensentin nahm per E-Mail Stellung, die Amazon in geschwärzter Form an uns weiterleitete; der Absender der Antwort-E-Mail war also unkenntlich.

Hat Amazon die Prüfpflicht erfüllt?

Amazon stellte sich auf den Standpunkt, damit seiner Prüfpflicht Genüge getan zu haben. Insbesondere ein Kenntlichmachen des Absenders der Antwort-E-Mail sei nicht vonnöten, da der Händler daraus nicht entnehmen könne, ob es sich um einen Nutzer des beanstandeten Produktes handle und ob dessen Aussage zutreffe.

Wir waren hingegen der Auffassung, dass Amazon durch die Übermittlung der geschwärzten E-Mail nicht die der Plattform obliegende Prüfpflicht erfülle. Denn es bestehe die Möglichkeit, dass die Bewertung von einem Konkurrenten eingestellt oder veranlasst worden sei – ohne dass ihr eine Nutzung des Produkts zugrunde liege oder sie inhaltlich zutreffe. Ob das der Fall sei, könne anhand der von Amazon übermittelten Daten nicht überprüft werden.

Landgericht Hamburg sah Prüfpflicht als erfüllt an

Das Landgericht (LG) wies unseren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Der Inhalt der Antwort-E-Mail sei plausibel. Daher sei es nunmehr Sache des Händlers, weiter zu den Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs vorzutragen.

Oberlandesgericht gibt Händler recht

Gegen die Entscheidung legten wir für den Händler sofortige Beschwerde vor dem OLG ein – und waren erfolgreich.

Auch für Amazon gelten dem OLG zufolge die Grundsätze, die vom Bundesgerichtshof (BGH) für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelt wurden (Urt. v. 09.08.2022, Az. VI ZR 1244/20, mehr dazu hier).

Voraussetzungen für erfolgreiches Löschungsbegehren liegen vor

Diese Grundsätze regeln unter anderem die Voraussetzungen für ein Löschungsbegehren. Nach Auffassung des OLG sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt. In der Mitteilung von Amazon fehlten Angaben, die für den Händler ersichtlich machen könnten, ob sein Produkt überhaupt genutzt wurde. Die Mitteilung enthalte – anders als vom LG angenommen – keinerlei Ansatzpunkte, die es dem Händler ermöglichen, Weiteres zur Begründung seines Anspruchs vorzutragen. Letztlich sei die geschwärzte Antwort-E-Mail nichts anderes als eine Wiederholung des Inhalts der beanstandeten Bewertung und der Behauptung, dass diese nicht von Amazon selbst stamme.

Selbst Vorlage nicht geschwärzter E-Mail wäre nicht ausreichend gewesen

Es könne dahinstehen, so das OLG, ob die Vorlage einer nicht geschwärzten E-Mail-Adresse ausreichend gewesen wäre, um dem Händler die nötigen Hinweise für die Identifizierung zu liefern. Denn der BGH stelle nicht darauf ab, dass dem Rezensierten die E-Mail-Adresse eines Rezenten übermittelt werden muss. Entscheidend sei vielmehr, dass laut BGH die Identität des Verfassers einer Bewertung sich für den Rezensierten ohne Weiteres erschließe.

Amazon habe darüber hinaus nicht dargelegt, dass man – über die Internetadresse der Rezensentin hinaus – über keine weiteren Kenntnisse und Informationen verfüge, die es dem Händler ermöglichen könnten, einen Kundenkontakt zu überprüfen. Da Amazon selbst das Produkt vertreibt, könnten dazu Nachweise eines Produkterwerbs durch die Rezensentin, deren Name und Anschrift oder ähnliches gehören.

Auch Amazon muss Rezensenten identifizierbar machen

Der Beschluss des OLG bedeutet nichts anderes, als dass Bewertungsplattformen rezensierte Unternehmen generell in die Lage versetzen müssen, das Bestehen eines geschäftlichen Kontakts selbst überprüfen zu können.

Tipp 1

Unternehmen, die auf einer Bewertungsplattform schlecht bewertet werden, haben stets die Möglichkeit, die Berechtigung dieser Bewertung zu überprüfen und sich dagegen zu wehren.

Tipp 2

Teil der Überprüfung ist, dass Rezensenten von der Plattform identifizierbar gemacht werden.

Tipp 3

Das gilt nicht nur für Arbeitgeber-Bewertungsplattformen, sondern für alle Betreiber von Bewertungsplattformen – auch Amazon.