Dr. Oliver Stegmann
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Was wesentlich ist
Die Aufgliederung von Bewertungen nach Sterneklassen ist keine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG – entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) am 25.07.2024 (Az. ZR 143/23).
Kundenbewertungen im Internet sind inzwischen ein Grundpfeiler des Marketings von Unternehmen. Sie sind so wertvoll, weil sie potenziellen Kunden (scheinbar) authentische Einblicke in die Erfahrungen anderer Kunden bieten.
Vorsicht bei Vereinfachungen
Um einen besseren Überblick über ihre Kundenbewertungen zu ermöglichen, fassen sie viele Unternehmen zu einer Durchschnittsnote zusammen. Das aber hat durchaus Tücken, wie der vom BGH entschiedene Fall deutlich macht. Denn Verbraucher verfügen dadurch über weniger Informationen, etwa über den Inhalt der einzelnen Bewertungen. Es droht dann der Vorwurf einer Irreführung durch das Unternehmen. In diesem Spannungsfeld zwischen Verbraucherinformation und Marketing hat der BGH nun entschieden, dass es nicht irreführend ist, wenn die einzelnen Sternekategorien nicht explizit aufgeschlüsselt werden.
Der Sachverhalt
Die Beklagte vermittelt Immobilienverkäufer an Immobilienmakler. Auf ihrer Website warb sie damit, dass die Kunden ihre Makler im Durchschnitt mit 4,7 von 5 möglichen Sternen bewertet hätten. Weitere Angaben zu den Bewertungen machte sie nicht. Die Klägerin, ein Wettbewerbsverband, hielt das für irreführend und daher unlauter. Sie ist der Ansicht, dass eine Aufschlüsselung der Durchschnittsbewertung in Gesamtzahl der Bewertungen, Zeitraum, Sternekategorien sowie Berechnungsweise des Durchschnitts eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG alte Fassung ist (entspricht § 5a Abs. 1 UWG neue Fassung).
Tatbestand der Irreführung
Eine Information ist wesentlich, wenn ihre Angabe vom Unternehmer erwartet werden kann und der Angabe für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers ein erhebliches Gewicht zukommt. Eine Aufschlüsselung der Kundenbewertungen nach Sterneklassen sei, so die Auffassung der Klägerin, eine solche wesentliche Information. Denn für den Kunden sei es von erheblichem Gewicht, ob durchgängig dieselbe Sterneanzahl vergeben werde oder ob es gute und schlechte Bewertungen gebe.
Vorinstanzen
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg entschieden, dass eine Werbung mit Kundenbewertungen irreführend ist, wenn weder der Zeitraum der berücksichtigten Kundebewertung noch die Gesamtzahl der abgegebenen Bewertungen angegeben wird. Beides seien wesentliche Informationen. Anders sei dies bei der Aufschlüsselung der Bewertung nach Sternekategorien: Die Information sei für den Verbraucher nicht wesentlich, da eine Durchschnittsbewertung lediglich das arithmetische Mittel der abgegebenen Bewertungen sei. Dem Durchschnittsverbraucher sei bekannt, dass einer Gesamt-Durchschnittsnote sowohl gute als auch (sehr) schlechte Bewertungen zugrunde liegen könnten.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG. Das Gericht hebt dabei die große Bedeutung von Kundenbewertungen für die Kaufentscheidung von Verbrauchern im Internet hervor und verweist auf Erwägungsgrund 47 der Richtlinie EU 2019/2161: Verbraucher stützen sich bei ihrer Kaufentscheidung zunehmend auf Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern.
Die Aufgliederung der Bewertungen nach Sterneklassen sei daher eine für den Verbraucher nützliche Info; sie sei jedoch nicht wesentlich im Sinne des UWG. Der Durchschnittsverbraucher nimmt nicht an, dass alle Bewertungen gleich oder sehr ähnlich sind, so der BGH. Aufgrund seiner Erfahrung mit Kundenbewertungen im Internet gehe er vielmehr davon aus, dass sich die Durchschnittsbewertung aus unterschiedlich guten und schlechten Bewertungen zusammensetze. Alles andere sei realitätsfern.
Abschließend betont der BGH in seiner Entscheidung den Unterschied zur Werbung mit Testsiegeln oder Prüfzeichen. Ein Verbraucher muss die testbezogene Werbung selbst prüfen und in den Gesamtzusammenhang des Tests einordnen können, sonst werde seine Fähigkeit, eine informierte geschäftliche Handlung zu treffen, spürbar beeinträchtigt. Bei einer durchschnittlichen Kundenbewertung wisse der angesprochene Verbraucher, dass den Bewertungen weder ein einheitlicher Bewertungsmaßstab noch einheitliche Bewertungskriterien zugrunde liegen. Daran ändere auch die Werbung mit einer durchschnittlichen Bewertung nichts.
Mitarbeit: Sophie Leitsmann
Tipp 1
Bei der Werbung mit Kundenbewertungen droht bei Vereinfachungen der Vorwurf der Irreführung.
Tipp 2
Wird mit einer Durchschnittsnote geworben, müssen Zeitraum sowie die Gesamtzahl der abgegebenen Bewertungen angegeben werden.
Tipp 3
Eine zusätzliche Aufschlüsselung nach Sterneklassen ist nicht erforderlich.