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Dr. Oliver Stegmann

Kettenauskunft: E-Mail-Anbieter in der Pflicht

6. Juni 2025

Der Auskunftsanspruch nach § 21 TDDDG kann auch gegen E-Mail-Dienste durchgesetzt werden, selbst wenn die rechtsverletzenden Inhalte darüber nicht verbreitet wurden – entscheidet das Landgericht München I (LG) am 19.02.2025 (Az. 25 O 9210/24)

Der Sachverhalt

Ein Unternehmen aus der Automobilbranche setzte sich gegen mehrere negative Bewertungen auf einer Arbeitgeber-Plattform zur Wehr. Unter anderem wurde darin behauptet, Umweltstandards würden von dem Unternehmen nicht eingehalten. Die Betreiberin der Plattform löschte zwar die Bewertungen, teilte aber auf richterliche Anordnung lediglich die zugehörigen E-Mail-Adressen als vorhandene Bestandsdaten mit. Daher verlangte das betroffene Unternehmen nun von der Betreiberin des E-Mail-Dienstes, bei dem die E-Mail-Konten gehostet waren, gem. § 21 Abs. 2, 3 TDDDG Auskunft über Namen und Anschrift der Nutzer.

Digitaler Dienst im Sinne des TDDDG?

Der E-Mail-Anbieter wandte ein, es handle sich bei seinem E-Mail-Dienst um einen interpersonellen Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG. Ein Auskunftsanspruch könne daher nur auf § 174 TKG gestützt werden, der lediglich staatlichen Stellen zur Verfügung steht. Ein Anspruch auf Auskunft des Automobilunternehmers scheide aus.

Das LG folgte dieser Auffassung nicht. Auch ein Telekommunikationsdienst könne ein digitaler Dienst im Sinne des TDDDG sein. Während das TKG vorrangig der behördlichen Strafverfolgung diene, verfolge § 21 TDDDG das Ziel, die effektive Durchsetzung privater Ansprüche zu ermöglichen. Es bestehe kein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen beiden Normen.

Keine inhaltliche Verbreitung über den E-Mail-Dienst?

Der E-Mail-Anbieter wandte weiter ein, mit der Verbreitung der rechtsverletzenden Inhalte in keinem Zusammenhang zu stehen; der Auskunftsanspruch bestehe daher ausschließlich gegenüber der veröffentlichenden Plattform.

Das Gericht stellte indes klar, dass § 21 TDDDG eine inhaltliche Verbindung zwischen dem angegriffenen Beitrag und dem betroffenen Dienst nicht voraussetzt. Die Vorschrift ziele vielmehr darauf ab, Betroffenen eine effektive zivilrechtliche Anspruchsverfolgung zu ermöglichen. Der verpflichtete digitale Dienst erleide hierdurch auch keine Nachteile, da die Kosten des Auskunftsverfahrens gem. TDDDG vom Antragsteller zu tragen sind.

Zweifel an der Rechtsverletzung

Schwierigkeiten bereitet auch immer wieder die Frage, ob die beanstandeten Bewertungen überhaupt rechtswidrig sind.

Doch auch insoweit verdeutlicht das LG, dass effektive Rechtsverfolgung im Vordergrund steht. Im konkreten Fall ging es um möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptungen. Das betroffene Automobilunternehmen konnte die Unwahrheit der Behauptungen mangels Kenntnis der Identität der anonymen Rezensenten lediglich allgemein versichern. Das genügte dem Gericht, denn detaillierte Angaben seien gerade wegen der Anonymität der Rezensenten nicht möglich.

Zweck des Auskunftsanspruchs nach § 21 TDDDG: effektiver Schutz – trotz Anonymität

Der Auskunftsanspruch nach § 21 TDDDG dient dazu, die zivilrechtliche Verfolgung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet zu erleichtern, so das Gericht. Im digitalen Raum sei es üblich, dass Plattformen zur Wahrung der Anonymität nur minimale Nutzerdaten erfassen – häufig lediglich eine E-Mail-Adresse, die sich der Rezensent gerade für die rechtswidrige Bewertung zugelegt hat. Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sei es unerlässlich, den Auskunftsanspruch auch gegen vorgelagerte Dienste durchzusetzen. Andernfalls bliebe die Rechtsverfolgung faktisch unmöglich. § 21 TDDDG stärkt damit alle Unternehmen, die sich gegen rufschädigende Inhalte im Netz zur Wehr setzen – auch dann, wenn deren Verfasser anonym ist.

Mitarbeit: Annika Vollrath

Tipp 1

Die Entscheidung des LG München I verbessert die Möglichkeit zur Identifizierung anonymer Nutzer erheblich.

Tipp 2

Ein unergiebiger Auskunftsanspruch gegen die Bewertungs-Plattform muss nicht das Ende bedeuten. § 21 TDDDG verpflichtet auch vorgelagerte Diensteanbieter zur Auskunft.

Tipp 3

Die Entscheidung des LG München I eröffnet endlich eine effektive Möglichkeit, anonyme Rezensenten für rechtswidrige Bewertungen zur Verantwortung zu ziehen.