Dr. Oliver Stegmann
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Grenzen des Erlaubten
Nicht jede Kritik ist angreifbar. Die Frage, wo die Grenze zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Herabsetzung verläuft, stellt sich immer wieder – jetzt auch beantwortet vom Oberlandesgericht (OLG) Bamberg (Az. 6 U 17/24).
Der Sachverhalt
Ein Rezensent bewertete eine Anwaltskanzlei auf Google mit nur einem Stern und begründete dies mit der Formulierung, ein Anwalt sei „nicht besonders fähig“, die Kanzlei deshalb nicht empfehlenswert.
Das gefiel der betroffene Kanzlei verständlicherweise gar nicht. Sie sah sich durch die Bewertung in ihrem Unternehmens-Persönlichkeitsrecht verletzt – und machte u.a. Unterlassungsansprüche geltend. Sie stützte den Anspruch darauf, dass die Bewertung Schmähkritik und eine Formalbeleidigung darstelle und sah in ihr sogar einen Angriff auf die Menschenwürde.
Kundenbeziehung unstreitig
Dabei war unstreitig, dass der Rezensent tatsächlich Beratungsleistungen der Anwaltskanzlei in Anspruch genommen hatte.
Schon ist erster Instanz wies das Landgericht (LG) Hof den Anspruch zurück. Die Berufung gegen die Entscheidung war ebenso erfolglos.
Schranke der Meinungsfreiheit
Zwar beeinträchtige die Bewertung das Persönlichkeitsrecht der Anwaltskanzlei – aber sie überschreite eben nicht die Grenze des Zulässigen. Meinungen sind nur dann unzulässig, wenn sie eine Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellen oder wenn sie die Menschenwürde verletzen. Nur solche „Meinungen“ sind nicht von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG geschützt und somit auch ohne die sonst erforderliche Abwägung unzulässig.
Schmähkritik und Formalbeleidigung?
Schmähkritik fehlt jeglicher Sachbezug, und es geht dem Äußerer hauptsächlich darum, die angesprochene Person verächtlich zu machen oder herabzuwürdigen. Werden gesellschaftlich eindeutig missbilligte Begrifflichkeiten verwendet, also „Kraftausdrücke“, stellt das eine Formalbeleidigung dar; auch solche Äußerungen sind grundsätzlich unzulässig. Aber: Das Nutzen von Fäkalsprache allein ist oft nicht ausreichend, um eine Formalbeleidigung anzunehmen; vielmehr muss es sich um stark rassistische oder stark sexistische Begriffe handeln.
Angriff auf die Menschenwürde?
Die Menschenwürde wird durch eine Äußerung verletzt, wenn sie sich gegen den Kern der Persönlichkeit richtet und dem Betroffenen seinen Achtungsanspruch als menschliches Wesen abspricht.
Bei der Annahme all dieser Äußerungsformen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings große Zurückhaltung geboten.
Die Entscheidung
Somit verwundert es wenig, dass das OLG die Bewertung nicht als Grenzüberschreitung der Meinungsfreiheit ansah. Sie greife zwar als schlechtmöglichste Bewertung in das Unternehmens-Persönlichkeitsrecht ein, sei aber durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Ganz entscheidend war dabei natürlich, dass tatsächlich eine Mandatsbeziehung bestand. Ohne diese tatsächliche Grundlage hätte die Meinung keinen Bestand gehabt.
Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht
Die Entscheidung macht deutlich, dass nicht jede negative Bewertungen unzulässig ist. Solange eine Äußerung auf einer wahren und beweisbaren Grundlage beruht und nicht allein auf persönliche Herabsetzung abzielt, ist sie von der Meinungsfreiheit gedeckt. Nur wenn sich der Rezensent auf Diffamierungen beschränkt, überschreitet er möglicherweise die Grenzen der Meinungsfreiheit. Dann, und nur dann, empfiehlt sich ein Vorgehen gegen derartige Bewertungen. Andernfalls ist der Schaden ungleich größer.
Mitarbeit: Annika Vollrath
Tipp 1
Manche Kritik muss hingenommen werden – auch wenn sie weh tut.
Tipp 2
Aber: Wenn schon die Tatsachengrundlage nicht zutrifft, ist eine darauf aufbauende Meinung unzulässig.
Tipp 3
Meinungen sind dann unzulässig, wenn sie die Menschenwürde in Frage stellen oder es sich um Schmähkritik oder Formalbeleidigungen handelt.