Dr. Oliver Stegmann
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Der Weg bis zur Auskunft über Täter
Plattformbetreiber müssen Daten von Hetzern herausgeben – doch wie funktioniert das in der Praxis?
Vor einer knappen Woche sorgte der Beschluss des BVerfG für viel Aufsehen, dass Renate Künast Beleidigungen nicht schutzlos ausgeliefert sein darf (siehe unser Beitrag). Jetzt müssen die Berliner Gerichte erneut entscheiden, ob und in welchen Fällen Künast tatsächlich Auskunft über die Daten anonymer Nutzer erhält, die sie beleidigt hatten.
Bisherige und aktuelle Rechtslage
Die Auskunft im Fall Künast richtet sich nach bisheriger Rechtslage; einschlägig hierfür ist das Telemediengesetz in der damals gültigen Fassung. Doch wie gehen derartige Auskunftsverlangen eigentlich nach aktueller Rechtslage vonstatten?
Bestands- oder Nutzungsdaten?
Zunächst muss man unterscheiden, über welche Daten beim Anbieter von Telemedien Auskunft verlangt wird – Bestandsdaten oder Nutzungsdaten.
Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des seit 1. Dezember 2021 geltenden Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) personenbezogene Daten, deren Verarbeitung im Rahmen des Vertrags zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer erforderlich ist, also zum Beispiel Namen und E-Mail-Adressen. In der Praxis melden sich Nutzer oft ohne aussagekräftige persönliche Daten oder unter falschem Namen an, so dass ihre Identität über die Bestandsdaten kaum festgestellt werden kann.
Nutzungsdaten sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 TTDSG die personenbezogenen Daten eines Nutzers, deren Verarbeitung erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen; dazu gehört insbesondere die IP-Adresse. Mit Hilfe dieser Daten kann die Identität von Nutzern also auch ermittelt werden, wenn die Bestandsdaten nicht zum Ziel geführt haben – zumindest sofern der Anbieter von Telemedien diese Daten noch gespeichert hat.
Zivilrechtsweg für Bestandsdaten
Bestandsdaten können vom Verletzten (so lautet die Terminologie des TTDSG) über § 21 Abs. 2 bis 5 TTDSG von Anbietern von Telemedien verlangt werden. Zuständig sind die Zivilgerichte und zwar die Landgerichte. Voraussetzung des Anspruchs ist, dass rechtswidrige Inhalte verbreitet werden. Dazu gehören solche nach § 1 Abs. 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), also Beleidigungen, üble Nachrede oder Verleumdungen. Im Fall Künast hatten die Gerichte die Äußerungen als nicht „ausreichend“ beleidigend angesehen und den Auskunftsanspruch daher zurückgewiesen; das müssen sie jetzt neu bewerten. Für das Auskunftsverfahren gelten gem. § 21 Abs. 3 Satz 6 TTDSG die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten des Verfahrens trägt zunächst der Verletzte. Er kann sie aber vom Verletzer als Teil des ihm durch die rechtswidrige Äußerung entstandenen Schadens ersetzt verlangen.
Nutzungsdaten nur über die Staatsanwaltschaft
An Nutzungsdaten kommt der Verletzte nach aktueller Rechtslage nicht (mehr) auf dem Zivilrechtsweg. Gemäß § 24 Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1 TTDSG sind nur Ermittlungsbehörden gegenüber dem Anbieter von Telemedien auskunftsberechtigt. Der Verletzte muss also über sie gehen und wegen der Äußerung Strafanzeige stellen.
Der Weg von Betroffenen zur Identifizierung von Tätern, die sich im Ton vergreifen, ist also kein leichter – aber es lohnt sich, ihn zu gehen.
Tipp 1
Bestandsdaten erhalten Betroffene von Anbietern von Telemedien auf dem Zivilrechtsweg vor den Landgerichten auf Grundlage des § 21 TTDSG.
Tipp 2
An Nutzungsdaten gelangen Betroffene ausschließlich über Ermittlungsbehörden, also die Staatsanwaltschaften. Deshalb ist das Stellen einer Strafanzeige erforderlich.
Tipp 3
Einige Länder wie Hessen und Nordrhein-Westfalen haben im Kampf gegen Hass im Netz Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet. Bayern hat 22 Sonderdezernate eingerichtet und einen „Hate-Speech-Beauftragten“ bestellt. Solche spezialisierte Stellen sollten vorrangig angesteuert werden.