Dr. Oliver Stegmann
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BGH stärkt Rechte von Betroffenen
Gericht konkretisiert Kriterien, nach denen Suchergebnisse nebst Vorschaubildern (thumbnails) bei Google zu löschen sind (Az.: VI ZR 832/20)
Treffer bei Google können für Unternehmen enorme Bedeutung entfalten – vor allem, wenn sie negative Inhalte transportieren, die unwahr sind. Unter welchen Voraussetzungen solche Inhalte gelöscht werden können, hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) präzisiert und die Rechte von Betroffenen dadurch gestärkt.
Der Fall
Im vom BGH entschiedenen Fall wandten sich zwei Kläger gegen Google-Suchergebnisse, die auf Artikel über sie bzw. über von ihnen verantwortete Gesellschaften verwiesen. Die Artikel setzten sich kritisch mit dem Geschäftsmodell der Kläger auseinander, und diese Informationen enthielten auch die Google Suchergebnisse. Da sich die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt sahen, verlangten sie von Google, die Links zu den Artikeln in den Suchergebnissen nicht mehr anzuzeigen. Einer der Artikel enthielt außerdem ein Foto eines der Kläger, das bei Google in den Suchergebnissen als Vorschaubild, sogenanntes thumbnail, erschien.
Vorinstanzen
Die Klagen hatten sowohl vor dem Landgericht als auch dem Oberlandesgericht Köln keinen Erfolg. Nach Auffassung beider Instanzen könne Google zwar als mittelbarer Störer grundsätzlich zur Unterlassung verpflichtet werden. Dies setze aber die Verletzung einer Google obliegenden Pflicht voraus. Bei der Bestimmung der Pflichten seien Aufgabe und Funktionsweise von Suchmaschinen zu berücksichtigen. Verhaltenspflichten träfen Google als Suchmaschinenbetreiber erst dann, wenn Google durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt habe. Solche konkreten Hinweise waren in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht erfolgt.
Google haftet unmittelbar
Kein Problem sahen die Instanzgerichte hingegen darin, dass die Kläger ausschließlich gegen Google und nicht gegen die Verfasser der negativen Artikel vorgegangen waren, die Google in den Suchergebnissen anzeigte. Die Haftung von Google sei nicht subsidiär, sondern man könne unmittelbar gegen Google vorgehen.
BGH legte Fall zunächst dem EuGH vor
Der BGH setzte das Verfahren zunächst aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zum Verständnis der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Lichte der Europäischen Grundrechtecharta vor, die das Gericht mit Urteil vom 8. Dezember 2022 beantwortete (Az.: C-460/20). Danach entschied der BGH nun mit Urteil vom 23. Mai 2023 den konkreten Fall.
Datenschutzrecht relevant
Mit der Vorlagefrage an den EuGH hatte der BGH bereits zum Ausdruck gebracht, dass der Fall Datenschutzrecht betrifft, genauer das sogenannte Recht auf Vergessenwerden nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Wie der EuGH differenziert der BGH dabei zwischen der Auslistung der Suchergebnisse und den Vorschaubildern. Im Ergebnis wies er die Klage auf Auslistung ab, sprach das begehrte Verbot hinsichtlich des Vorschaubilds hingegen aus und erkannte den Klägern damit mehr zu als die Vorinstanzen.
Auslistung
Was die Auslistung betraf, war das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten relevant. Der Schutz dieses Rechts ist nicht grenzenlos, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion zu bestimmen. Daher obliegt den Klägern der Nachweis, dass die sie betreffenden Informationen offensichtlich unwahr sind oder ihre Rechte aus anderen Gründen verletzen. Diesen Nachweis kann der Betroffene auch erbringen, wenn er nicht gegen den Verfasser des Artikels vorgeht, auf den das Suchergebnis verweist. Der Suchmaschinenbetreiber sei grundsätzlich verpflichtet, alle ihm vorliegenden Informationen zu berücksichtigen, um das Auslistungsbegehren zu prüfen. Er ist aber nicht dazu verpflichtet, selbst solche Tatsachen zu ermitteln, so der BGH. Hat ein Betroffener diese Tatsachen aber vorgetragen, ist Google verpflichtet, diese zu prüfen und auf dieser Grundlage über die Auslistung zu entscheiden.
Das Löschungsbegehren der Kläger bezogen auf die Auslistung wurde vom BGH nur deshalb zurückgewiesen, weil die Kläger die Unrichtigkeit der sie betreffenden Informationen nicht hinreichend dargelegt hatten.
Vorschaubilder
Die Anzeige des Vorschaubilds eines der Kläger unter den Suchtreffern ist hingegen ein besonders intensiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Die Verbreitung so eines Bilds ist daher nur gerechtfertigt, wenn sie erforderlich ist, um dem Recht der Internetnutzer auf freie Information nachzukommen. Maßstab dafür sind nach Auffassung des EuGH und BGH nur die Informationen, die neben dem Vorschaubild in den Suchergebnissen bei Google angezeigt werden. Die im verlinkten Beitrag enthaltenen Informationen sind insoweit unbeachtlich.
Das Vorschaubild für sich genommen war dem BGH zufolge nicht aussagekräftig genug und zudem ohne hinreichenden Kontext zu den in den Suchtreffern enthaltenen Informationen. Daher bejahte der BGH insoweit den Löschungsanspruch eines der Kläger.
Mitarbeit: Jakob Kunert
Tipp 1
Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von Unternehmen, über die in Google-Suchergebnissen negative Informationen verbreitet werden. Betroffene können gegen die Suchtreffer bei Google unmittelbar vorgehen und müssen nicht zunächst die eigentlichen Verbreiter der Information angehen, die oftmals nicht zu fassen sind.
Tipp 2
Bei Auslistungsbegehren erfordert ein Vorgehen, dass die Betroffenen konkret darlegen, dass die verbreitete Information unwahr ist bzw. anderweitig ihre Rechte verletzt.
Tipp 3
Gegen Vorschaubilder in Suchergebnissen ist ein Löschungsanspruch ebenfalls erfolgversprechend, denn Suchergebnisse werden meist nicht genügend Informationen bieten, um die Anzeige der Vorschaubilder zu rechtfertigen.