Skip to main content

Dr. Gunnar Matschernus

Altlasten einer Domain

19. Dezember 2024

Bei der Übernahme der Internet-Domain eines liquidierten Unternehmens steht das neue Unternehmen auch für den Ruf des alten Unternehmens ein – entscheidet das Landgericht (LG) Fulda am 30.11.2024 (Az. 3 O 92/24).

Ein Unternehmen, das den Geschäftsbetrieb eines insolventen Vorgängers faktisch fortführt und dessen Internet-Domain weiter nutzt, muss auch für dessen Ruf einstehen. Das ist die Quintessens der Entscheidung des LG. Negative Bewertungen aus der Zeit des früheren Betreibers des Unternehmens dürfen auf Bewertungsplattformen sichtbar bleiben. Die Entscheidung des LG unterstreicht, wie wichtig eine sorgfältige Abwägung bei der Übernahme von Unternehmens-Domains ist.

Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine neu gegründete GmbH im Bereich Wintergartenbau, hatte die Domain „n[…]wintergaerten.de“ aus der Insolvenzmasse der ehemaligen Betreiberin, der NW-GmbH, erworben. Sie forderte von der Beklagten, der Betreiberin einer Suchmaschine, die Löschung negativer Bewertungen und Kommentare, die sich laut Klägerin auf die frühere Domain-Inhaberin bezogen. Die Klägerin argumentierte, sie sei nicht Rechtsnachfolgerin der NW-GmbH und habe keine Verantwortung für deren Geschäftsgebaren.

Einwand der Plattform

Die beklagte Plattform lehnte die Löschung ab und verwies darauf, dass die Bewertungen auf den Domainnamen und dessen bisherigen Ruf bezogen seien. Zudem bestehe ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit, auch die Erfahrungen mit dem früheren Betreiber der Domain in die Bewertung einzubeziehen.

Begründung des Gerichts

Das LG Fulda wies die Klage in vollem Umfang ab und begründete dies folgendermaßen: Obwohl die Klägerin formalrechtlich nicht die Rechtsnachfolgerin der NW-GmbH sei, setzte sie den Geschäftsbetrieb faktisch fort. Dies zeige sich an der identischen Adresse, der personellen Verflechtung (der Geschäftsführer der Rechtsnachfolgerin war zuvor bei der NW-GmbH tätig) sowie an der Nutzung der bisherigen Domain und der Hervorhebung von „25 Jahren Erfahrung“ in ihrer Selbstdarstellung.

Berechtigtes Informationsinteresse

Kunden hätten ein legitimes Interesse daran, auch frühere Erfahrungen mit der NW-GmbH in ihre Entscheidung einzubeziehen, da der Geschäftsbetrieb faktisch fortgeführt werde. Die Klägerin profitiere zudem bewusst vom aufgebauten Marktauftritt der Vorgängerin.

Meinungs- und Medienfreiheit

Die Beklagte könne sich auf die Meinungs- und Medienfreiheit berufen (Art. 5 Abs. 1 GG). Die Abwägung mit dem betroffenen Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin fiel zugunsten der Meinungsfreiheit aus, da die Bewertungen keine Schmähkritik darstellten.

Kein Löschungsanspruch

Die Beklagte habe auch ihre Prüfpflichten nicht verletzt. Es sei weder rechtswidrig noch irreführend, dass die Bewertungen weiterhin öffentlich zugänglich seien, da sie inhaltlich nachvollziehbar und teilweise mit konkreten Erfahrungen begründet seien.

Tipp 1

Unternehmen sollten bei der Übernahme von „verbrannten“ Domains sorgfältig abwägen, ob die Übernahme negative Aspekte des bisherigen Domainbetreibers nach sich ziehen könnte.

Tipp 2

Eine neue Domain kann vorteilhafter sein, wenn negative Bewertungen vermieden werden sollen.

Tipp 3

Bei einer faktischen Fortführung eines Geschäfts empfiehlt sich ein transparenter Hinweis auf die Neustrukturierung und die Abgrenzung vom Vorgängerbetrieb, um Verwechslungen bei Kunden zu vermeiden.